QS-Verfahren
QS-Verfahren und Gutachterverfahren
Seit 2014 wird im Auftrag des G-BA (zunächst vom AQUA-Institut, dann vom IQTIG) ein QS-Verfahren für die Psychotherapie entwickelt. Es war immer zusätzlich zum Gutachterverfahren geplant.
Im September 2019 hielt Gesundheitsminister Spahn es für nötig, dieses spezifische QS-Verfahren für die ambulante Psychotherapie gesetzlich vorzuschreiben, ein ganz unüblicher Vorgang, da das deutsche Gesundheitswesen eigentlich so funktioniert: der Staat gibt die groben Rahmenbedingungen vor, die Selbstverwaltung regelt die Details. (Gesundheitsminister schreiben auch nicht in Gesetze, dass ein QS-Verfahren z.B. für Nierenersatztherapie oder Entlassmanagement entwickelt werden soll.)
Spahn fügte diese gesetzliche Regelung ganz kurz vor der Verabschiedung des Psychotherapeutenausbildungsreformgesetzes dort ein – ohne Diskussionsmöglichkeit und Beteiligung der Profession. Gleichzeitig fügte er noch einiges hinzu, was bis dahin nicht vorgesehen war, u.a. die Verknüpfung von Abschaffung des Antrags- und Gutachterverfahrens mit der Einführung des QS-Verfahrens. Es ist nicht bekannt, wie er darauf gekommen ist und was die Überlegungen dazu waren, es gibt keine Äußerungen dazu von ihm oder anderen Beteiligten aus der Politik. Deshalb wird viel spekuliert und hineininterpretiert.
Hier der Gesetzestext:
§ 92 Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses
(6a) … Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.
Aufheben der Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren würde bedeuten
- Es gelten nur noch Psychotherapie-Richtlinie (Kontingente) und EBM (Bestimmungen zu den Ziffern) – es gibt auch kein Antragsverfahren mehr!
- Man kann mit jeder Patientin jederzeit eine Psychotherapie beginnen (kein Antrag mehr nötig!).
- Die Kontingente der Psychotherapie-Richtlinie für die verschiedenen Verfahren bilden die Obergrenze.
- Nach Beendigung einer Psychotherapie kann sofort die nächste begonnen werden.
Das klingt erstmal wie der Himmel auf Erden, aber nun kommt die grausame Realität:
- Das Antrags- und Gutachterverfahren, und die darauf folgende Bewilligung der Leistungen durch die Krankenkasse ersetzt bisher die Wirtschaftlichkeitsprüfung, die für alle Bereiche der GKV gilt: Überprüfung von Indikation, Angemessenheit, Wirtschaftlichkeit.
- Wenn das Antrags- und Gutachterverfahren wegfällt, tritt das ursprüngliche Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung wieder in Kraft – das ist im SGB V klar festgelegt.
- Wirtschaftlichkeitsprüfung: Keine Prüfung des Einzelfalls, sondern z.B. Prüfung anhand von Durchschnittswerten oder Pauschalen, und zwar nachträglich, bis 2 Jahre nach der Abrechnung dieser Leistungen – eine mögliche Messgröße wäre dann z.B.: durchschnittliche Dauer aller abgerechneten Psychotherapien.
- Bei Übersteigen bestimmter Werte könnte z.B. Honorar zurückgefordert werden (wie im somatischen Bereich, s. unten)
- Ohne Antrags- und Bewilligungsverfahren entfällt die juristische Grundlage für unser heutiges Mindest-Honorar.
Konsequenz: floatende Punktwerte, wie früher, wären wieder möglich!
Das Antrags- und Gutachterverfahren wird also durch eine andere Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung ersetzt, nicht durch das QS-Verfahren – das QS-Verfahren kommt zusätzlich!
Hier zum Vergleich die Aufgaben von Gutachterverfahren und QS-Verfahren:
Aufgaben des Gutachterverfahrens lt. Psychotherapie-Richtlinie:
- prüft im Einzelfall Indikation, inhaltlich nachvollziehbaren Behandlungsplan, Wirtschaftlichkeit, usw.
- beurteilt nicht die fachliche Qualifikation oder die Qualität der Arbeit der Psychotherapeutin
Aufgaben des QS-Verfahrens lt. DeQS-Richtlinie und Beauftragungstext:
- prüft für eine größere Anzahl von Behandlungen, in welchem Ausmaß bestimmte Anforderungen eingehalten wurden, z.B.:
Für die 25 Patienten, die im Jahr 2025 die Behandlung in Ihrer Praxis abgeschlossen haben, wurde der Indikator xy zu 70 % erfüllt (Referenzwert ist 95 %, die Gesamtgruppe hat 85 % erreicht). - beurteilt die Qualität der psychotherapeutischen Arbeit eines Psychotherapeuten, anhand einer größeren Zahl seiner Behandlungen
- macht keine Aussage über die einzelne Behandlung (Indikation, Therapiemonitoring o.ä.), hat nichts mit Wirtschaftlichkeit zu tun, hat keinen Bezug zum Honorar für die überprüften Therapien
Zum Thema Wirtschaftlichkeitsprüfung – Alternativen für die Überprüfung von Indikation und Wirtschaftlichkeit in anderen Versorgungsbereichen
Psychotherapeuten empfinden es häufig als kränkend und einschränkend, dass sie die Wirtschaftlichkeit ihrer Arbeit überprüfen lassen müssen. Aber es gibt keinen Bereich im Gesundheitswesen ohne diese Überprüfung, in anderen Bereichen der medizinischen Versorgung findet diese Überprüfung weitgehend nachträglich statt.
- In der ambulanten Medizin wird die Wirtschaftlichkeitsprüfung sowohl als Einzelfallprüfung (5%-Stichprobe), als auch durch nachträglichen Vergleich mit Durchschnittswerten durchgeführt: Wenn eine Ärztin mit ihren Leistungen und Verordnungen (Medikamente, Physiotherapie, usw.) den Durchschnitt der Fachgruppe um einen bestimmten Prozentsatz überschreitet, wird ein Teil des Honorars abgezogen bzw. zurückgefordert („Regress“). Das kann rückwirkend über mehrere Jahre zu hohen Rückforderungs-Summen führen. Die Ärztin hat dann diese Leistungen für die Patientin quasi kostenlos erbracht, und die verordneten Medikamente oder Massagen selbst bezahlt.
- In den Kliniken überprüft der Medizinische Dienst sowohl laufend, als auch nachträglich, ob die Dauer der Behandlung angemessen ist/war. Was bei der nachträglichen Überprüfung als „zu viel“ an Behandlung beurteilt wird, wird nicht bezahlt. Die Kliniken müssen z.T. jahrelang um hohe Summen für erbrachte Behandlungen prozessieren, mit ungewissem Ausgang.
Bereits Mitte der 90er Jahre legten die Krankenkassen dem G-BA ein Eckpunkte-Papier zur QS vor, das ganz ähnliche Maßnahmen neben dem Gutachterverfahren forderte: Überprüfung durch den MDK in der Mitte und am Ende der genehmigten Kontingente, Sanktionen, Honorar-Rückforderungen, usw.
Viele Krankenkassen-Vertreterinnen sind davon überzeugt, dass ambulante psychotherapeutische Behandlungen oft unnötig lang dauern. Sie schließen das u.a. daraus, dass angeblich die Kontingente zu häufig ausgeschöpft werden (obwohl das längst widerlegt ist), aber vor allem schließen sie das aus den Aussagen von Vertretern unserer Profession, nach denen schwere psychische Erkrankungen angeblich mit durchschnittlich etwa 15 Stunden Psychotherapie geheilt werden können.
15.1.2021
Beatrice Piechotta - Rosmarinstr. 12 L - 40235 Düsseldorf - eMail: kontakt@qs-psychotherapie.de