QS-Verfahren

Erprobung des QS-Verfahrens Psychotherapie in Nordrhein-Westfalen

Aktuelles (21.7.2024)

Am 18.7.24 gab es die seltene Gelegenheit, von den Diskussionen im G-BA zum QS-Verfahren etwas mitzubekommen. Meist werden die Themen in den entsprechenden Unterausschüssen vertraulich diskutiert, nur die Diskussionen im Plenum sind öffentlich und können per Videoaufzeichnung verfolgt werden.

Zum Hintergrund:
Vor dem Start des QS-Verfahrens muss noch die Dokumentationssoftware programmiert werden. Dafür erstellt das IQTIG Spezifikationen, Rechenregeln, Filter usw., die dann im Rahmen der Programmierung umgesetzt werden müssen. Wenn das QS-Verfahren am 1.1.2025 starten soll, ist es jetzt höchste Zeit, die Spezifikationen und Rechenregeln zu verabschieden, da mit 6 – 7 Monaten für die Programmierarbeiten zu rechnen ist.
Ursprünglich standen die Beschlüsse dazu auf der TO für die Sitzung des G-BA am 18.7.24 (TOP 8.3.9 – 8.3.11), dann wurden sie vorab wieder gestrichen, und stattdessen erschien ein Antrag des GKV-Spitzenverbandes zum gleichen Thema (TOP 8.3.14) auf der Tagesordnung.

Sitzung des G-BA am 18.7.24, TOP 8.3.14 – meine Zusammenfassung
Videoaufzeichnung (TOP 8.3.14 startet bei 1:37:05)

Zu Beginn der knapp 40-minütigen Diskussion erklärte der Vorsitzende Prof. Hecken, dass es einen Dissens im Unterausschuss QS gegeben habe, so dass die KBV die Spezifikationen nicht verabschieden wollte, die Krankenkassen aber doch, damit der Start des QS-Verfahrens am 1.1.25 nicht gefährdet wird, deshalb stellt der GKV-Spitzenverband nun einseitig diesen Antrag.
In der Diskussion ging es hauptsächlich um Kritik von Seiten der KBV und der BPtK am IQTIG. Die Kritikpunkte fasse ich folgendermaßen zusammen:

  • Angeblich fehlende Filterfunktion, für deren Entwicklung das IQTIG (angeblich) noch 2 Jahren brauchen würde, so dass (angeblich) Unmengen von unnötigen Daten erhoben würden, die man anschließend „in die Tonne schmeißen“ müsse.
    Allerdings sagte ein Vertreter der Krankenkassen (Follert): Den Filter gibt es doch schon, er ist nur noch nicht perfekt, man muss in der jetzigen Form 2 Kästchen mehr anklicken, als es in einer Ideal-Version nötig sein wird, das müsse doch für eine begrenzte Zeit verkraftbar sein. – Dem Inhalt dieser Aussage wurde nicht widersprochen.
    (Der besagte Filter soll dazu dienen, die Psychotherapeuten direkt bei der Dateneingabe darauf hinzuweisen, ob der betreffende Patient vom QS-Verfahren auszuschließen ist, weil z.B. unter 18 J., oder in Gruppentherapie.)
  • Mangelhafte Ausfüllhinweise, die keine Erläuterungen geben, wie bestimmte Datenfelder zu verstehen sind, sondern nur nochmal abstrakt die Qualitätsziele wiederholen, so dass sie den Psychotherapeuten keine Hilfestellung bieten. Zu einem wichtigen Thema fehlt sogar jeglicher Ausfüllhinweis, nämlich zu der Frage nach Abbruch der Therapie, die darüber entscheidet, ob eine Patientenbefragung stattfindet oder nicht.
  • Mangelndes Bemühen des IQTIG, die spezifischen Herausforderungen dieses QS-Verfahrens zu berücksichtigen: KBV und BPtK appellierten an das IQTIG, es möge das QS-Verfahren und die Erprobung „sehr, sehr ernst“ nehmen; man vermisse den Willen, vorausblickend im Sinne der Betroffenen unnötigen Aufwand zu vermeiden und Verbesserungsvorschläge umzusetzen. Es kommen offenbar auch Beschwerden von den Landesarbeitsgemeinschaften für QS, das IQTIG könne die aufkommenden Fragen nicht beantworten. Die KBV forderte mehr Engagement und Seriosität in der Begleitung der Erprobung, angesichts der großen Anzahl von Teilnehmern (in anderen QS-Verfahren gibt es einige hundert Teilnehmer, nicht 7000). Nur eine einzige Regionalkonferenz für 7000 Teilnehmer anzubieten: „die Leute fühlen sich veräppelt“. Es wurde angedeutet: sonst wird das QS-Verfahren nicht umsetzbar sein.

Beim Vorsitzenden Prof. Hecken entstand offenbar der Eindruck, den Vertretern der Psychotherapeuten (KBV, BPtK) gehe es eher darum, grundsätzlich den Sinn eines QS-Verfahrens für Psychotherapie wieder in Frage zu stellen, obwohl diese Diskussion, die 6 Jahre lang geführt wurde, doch abgeschlossen sei. Deshalb drängte er sehr darauf, jetzt zu einem Beschluss zu kommen. Ansonsten wurde immer wieder betont, dass selbstverständlich im Rahmen der Erprobung nachjustiert werden soll und muss, wenn Probleme auffallen, um die Akzeptanz bei den Teilnehmern nicht zu gefährden.
Schließlich wurde der Antrag durch die Forderung an das IQTIG ergänzt, die Filterfunktion innerhalb von 6 Monaten fertigzustellen, ggf. mithilfe von Fremdvergabe, und die Ausfüllhinweise zu überarbeiten. Die KBV stimmte nun nicht mehr gegen den Antrag, sondern enthielt sich, der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Die Patientenvertreterin Häfner mahnte an, die ursprünglich vorgesehene Einbeziehung von Patienten mit Intelligenzminderung oder Demenz, die eine Psychotherapie absolvieren, nochmals zu prüfen, zumal auch das BMG das gefordert hat, und sie ggf. noch später in das QS-Verfahren mit aufzunehmen.

Mein Eindruck:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die KBV ernsthaft wegen eines mangelhaften Filters bzw. 2 Datenfeldern zuviel den Start des QS-Verfahrens hätte verschieben wollen. Ich vermute (Achtung: Vermutung!), dass in der KBV und den betroffenen KVen Nordrhein und Westfalen-Lippe inzwischen doch zunehmend die Probleme dieses QS-Verfahrens deutlich werden, und dass man einen Aufhänger gesucht hat, mit dem man dem IQTIG zumindest einen Schuss vor den Bug geben kann.
Auffällig war, wie oft betont wurde, dass selbstverständlich im Rahmen der Erprobung nachjustiert werden muss, andererseits klangen deutliche Zweifel an bezüglich der Bereitschaft oder Fähigkeit des IQTIG, Einwände und Kritik konstruktiv aufzunehmen. (Das würde zu meinem Eindruck passen, wenn man z.B. die kritischen Stellungnahmen zum Abschlussbericht des IQTIG liest, und dann sieht, wie das IQTIG in seiner „Würdigung der Stellungnahmen“ Fragen oder Kritik teilweise bürokratisch abbügelt.)
Beispiel: Die Kritik an den Ausfüllhinweisen beantwortete Prof. Heidecke (Leiter des IQTIG) damit: es habe keinen Konsens im Unterausschuss gegeben, deshalb könne das IQTIG nicht wissen, in welche Richtung es die Ausfüllhinweise verändern soll. Entgegnung KBV (Voigt): Die AG hatte sehr wohl Konsens, dass die Ausfüllhinweise überarbeitungsbedürftig sind, das IQTIG hat dann dazu mitgeteilt: es hat die Ausfüllhinweise erneut überprüft und sieht keinen Anpassungsbedarf.
Meine Vermutung zu den Ausfüllhinweisen: Das IQTIG hat vielleicht echte Probleme damit, bessere Ausfüllhinweise zu schreiben, weil es bestimmte komplexe Situationen im Rahmen einer Psychotherapie selbst nicht richtig verstanden hat, und dadurch auch nicht genauer erklären kann, wie welche Situation in der Dokumentation abzubilden ist.
Jedenfalls gehe ich davon aus, dass es noch sehr viele Diskussionen um dieses QS-Verfahren geben wird. Umso wichtiger erscheint es mir, dass die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sich aktiv beteiligen und ihre Erfahrungen – möglichst in gebündelter und koordinierter Form – an das IQTIG und den G-BA weitergeben.

 

Erprobung des QS-Verfahrens Psychotherapie in Nordrhein-Westfalen  (28.2.2024)

Das QS-Verfahren Ambulante Psychotherapie soll ab 1.1.2025 in NRW zunächst 6 Jahre lang erprobt und evaluiert werden, erst dann wird über die bundesweite Einführung entschieden. Das hat der G-BA am 18.1.2024 beschlossen. (Beschluss vom 18.1.2024)
Der Beschluss tritt nach Genehmigung durch das Bundesgesundheitsministerium und Veröffentlichung im Bundesanzeiger – voraussichtlich März/April 2024 – in Kraft.

Die Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (DeQS-RL) enthält einen allgemeinen Teil, der die QS-Verfahren grundsätzlich beschreibt, und einen themenspezifischen Teil, in dem die Bestimmungen zu den einzelnen QS-Verfahren dargestellt werden.
Dieser themenspezifische Teil wurde nun ergänzt um das Verfahren Nr. 16:
Ambulante psychotherapeutische Versorgung gesetzlich Krankenversicherter (QS ambulante Psychotherapie)

Ich spreche der Einfachheit halber von der QS-Richtlinie, und meine damit diesen spezifschen Teil für die ambulante Psychotherapie.

Näheres zur inhaltlichen Ausgestaltung des QS-Verfahrens (Beschreibung der QS-Dokumentation und der Patientenbefragung) finden Sie hier.

Aus der QS-Richtlinie ergeben sich folgende Rahmenbedingungen:

  • Zur Teilnahme an der Erprobung sind alle Erwachsenen-Psychotherapeutinnen und -Psychotherapeuten verpflichtet, für alle Kurz- und Langzeittherapien im Einzelsetting, die sie über die KV Nordrhein oder KV Westfalen-Lippe abrechnen.
    Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutinnen werden nicht einbezogen, und Gruppentherapien ebenfalls nicht.
  • In das QS-Verfahren werden alle o.g. Behandlungen einbezogen, die ab dem 1.1.2025 beendet werden.
    Allerdings werden für Behandlungen, die vor In-Kraft-Treten dieses Beschlusses begonnen wurden, nur ein paar Basisdaten erhoben und keine Patientenbefragung durchgeführt.
    Das QS-Verfahren gilt also im vollen Umfang für diejenigen GKV-Behandlungen, die ab In-Kraft-Treten der QS-Richtlinie (voraussichtlich März/April 2024) beginnen, und ab 1.1.2025 beendet werden.
    Die Daten eines Quartals sind jeweils bis zum 21. des darauffolgenden Monats zu liefern, also erstmals bis zum 21.4.2025.
  • Ob das Antrags- und Gutachterverfahren während dieser Zeit ausgesetzt wird, darüber steht nichts in der QS-Richtlinie. Ich gehe davon aus, dass darüber die Institutionen entscheiden, die für die Durchführung des QS-Verfahrens mit zuständig sind, also u.a. KV und Krankenkassen.
  • Die Finanzierung des Aufwands wird gesondert zwischen KV und Krankenkassen vereinbart, darüber ist noch nichts bekannt.

Erprobung und Evaluation werden gestuft ablaufen:

  • Ein halbes Jahr vor dem Start wird das IQTIG eine Regionalkonferenz durchführen, in der die niedergelassenen Psychotherapeutinnen über das Projekt informiert werden sollen.
  • Im 1. Jahr werden v.a. Datenerhebung, Datenübermittlung und Datenverarbeitung implementiert und überprüft, sowie die Abläufe der Patientenbefragung erprobt.
  • Ab dem 2. Jahr entwickelt das IQTIG Bewertungskriterien und -kategorien. Die Teilnehmer bekommen erste Rückmeldungen/Auswertungen (sog. Zwischenberichte).
  • Ab dem 3. Jahr werden Stellungnahmeverfahren durchgeführt, d.h. auffällige Ergebnisse der QS-Dokumentationen werden einer Fachkommission vorgelegt.
    Die Fachkommission bzw. Landesarbeitsgemeinschaft kann Maßnahmen zur Verbesserung anordnen, z.B. Verpflichtung zu Fortbildung, Qualitätszirkel, Audits/Peer Review, Implementierung von Behandlungspfaden. In den ersten 2 Jahren soll es für schlechte Ergebnisse noch keine Sanktionen geben.  (Näheres s. hier)
  • Nach Vorliegen der ersten Ergebnisse im 3. Jahr der Erprobung wird die Regionalkonferenz für die Teilnehmer einmal jährlich bis zum Ende der Erprobung durchgeführt, „um die Ergebnisse zu diskutieren und die Akzeptanz des Verfahrens durch ein transparentes Vorgehen zu fördern.“ (DeQS-RL Teil 2 § 20 (10) )
    Außerdem wird eine Plattform eingerichtet, über die die Teilnehmerinnen sich äußern können, und es werden diverse Expertengremien eingerichtet, die die Ergebnisse, Erfahrungen und Rückmeldungen mit dem IQTIG beraten.
  • Ab dem 3.Jahr beginnt die Evaluation.
    Die Evaluation wird vom IQTIG durchgeführt, „einschließlich der … Möglichkeit der Einbeziehung eines weiteren wissenschaftlichen Instituts mit ausgewiesener Expertise in der Psychotherapieforschung.“ (§ 20 (2) j)
    Das IQTIG „erstellt im Review-Verfahren gegebenenfalls mit einem Institut der Psychotherapieforschung auf der Basis der fünf jährlichen Berichte … einen Gesamtabschlussbericht bis zum 31. August 2030.“ (§ 20 (12))
    Das Konzept für die Evaluation entwickelt das IQTIG, entsprechend dem Auftrag des G-BA vom 29.3.2023 (Auftrag Begleitevaluation)
    Also möglicherweise wird ein unabhängiges Institut als Reviewer überprüfen, wie das IQTIG sich nach seinem eigenen Konzept selbst evaluiert.
  • Auf Basis des Abschlussberichts entscheidet der G-BA, ob das QS-Verfahren 2031 bundesweit so eingeführt wird, oder ob es noch modifiziert werden soll (§ 20 (12) ).

28.2.2024

Beatrice Piechotta - Rosmarinstr. 12 L  - 40235 Düsseldorf  -  eMail: kontakt@qs-psychotherapie.de