QS-Verfahren

Ein QS-Verfahren für die gesamte ambulante Psychotherapie

Der G-BA hat das IQTIG beauftragt, ein QS-Verfahren für die gesamte ambulante Psychotherapie zu entwickeln, unabhängig von psychotherapeutischem Verfahren und Diagnose, „für alle gesetzlich krankenversicherten behandelten Patienten einer ambulanten psychotherapeutischen Einrichtung“.

In anderen Versorgungsbereichen werden nicht sämtliche Behandlungen per aufwendiger Datenerhebung überprüft, sondern nur ausgewählte Behandlungsmethoden, einzelne Krankheitsbilder oder Problembereiche (z.B. Hygiene). QS konzentriert sich dort auf umschriebene, gut operationalisierbare Verfahren, deren Rahmenbedingungen und Ergebnisse sinnvoll und aussagekräftig quantifiziert werden können, s. Übersicht über Versorgungsbereiche und QS-Verfahren:

  • Der Versorgungsbereich Gynäkologie hat 2 QS-Verfahren: Gynäkologische Operationen (ohne Hysterektomien), Mamma-Chirurgie
  • Im Versorgungsbereich Orthopädie und Unfallchirurgie gibt es 3 QS-Verfahren: Hüftgelenknahe Femurfraktur mit osteosynthetischer Versorgung, Hüftendoprothesenversorgung, Knieendoprothesenversorgung
  • Transplantationsmedizin: für bestimmte Organe und diverse mögliche Komplikationen je ein eigenes QS-Verfahren

Psychotherapeuten haben sehr unterschiedliche Praxisprofile und Arbeitsweisen. Das Spektrum reicht von großen Praxen mit 150 und mehr Patienten/Quartal bis hin zu hoch spezialisierten Praxen mit kleinen Patientenzahlen (hochfrequente analytische Psychotherapie), oder spezialisiert auf bestimmte Krankheitsbilder (Traumatherapie, Schmerztherapie, Krisenintervention, Psychosomatik, usw.). Unterschiede ergeben sich auch aus den verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren.

Wenn es denn für notwendig gehalten wird, externe QS-Maßnahmen in der Psychotherapie einzuführen, so stellt sich doch die Frage:

  • Warum sollen unterschiedlichste Praxisprofile, Krankheitsbilder, Behandlungsverfahren und -formen mit einem einzigen QS-Verfahren abgedeckt und miteinander verglichen werden, was soll dabei herauskommen?
  • Warum sollen im Versorgungsbereich Psychotherapie sämtliche Behandlungen durch ein aufwendiges QS-Verfahren überprüft werden?

Ein häufig gehörte Argument ist, die Psychotherapie sei umstrittener und müsse daher mehr als andere Bereiche ihre Qualität in der Versorgung beweisen.
Das ist verwunderlich, denn es gibt viele und heftig diskutierte Qualitätsprobleme in der somatischen Medizin, z.B. rein somatische Behandlung von psychisch (mit)verursachten Erkrankungen, nicht indizierte Verordnung von Antibiotika oder Tranquilizern, unnötige Untersuchungen und Operationen, mangelhafte Implantate, mangelhafte Aufklärung und Einbeziehung der Patientinnen in Behandlungsentscheidungen. Sie haben gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen, und verschlingen z.T. wesentlich mehr Geld als die gesamte Psychotherapie.
Zur Veranschaulichung der Größenordnung: Vor Jahren zeigte eine Untersuchung der AOK, dass die Kosten der Medikamente, die jährlich von den Patienten weggeworfen statt eingenommen werden, das Zehnfache betragen von dem, was jährlich für ambulante Psychotherapie ausgegeben wurde. – Aber niemand fordert, dass es ein QS-Verfahren für sämtliche Patienten von allen Hausärzten oder Orthopäden geben muss (was ja ebenfalls nicht sinnvoll wäre, bzw. nur sehr allgemeine Aussagen hervorbringen könnte).

Begründung des GBA in der Beauftragung:
Die ambulante Psychotherapie unterliegt bisher keinen Maßnahmen der gesetzlichen externen Qualitätssicherung – obwohl sich jährlich 1,2 Millionen Patientinnen und Patienten in einer ambulanten Psychotherapie bei einem der circa 30.000 PsychotherapeutInnen befinden. …

Wenn die pure – und scheinbar sehr hohe – Anzahl der Patientinnen und Psychotherapeutinnen die Begründung sein soll, dann hier zum Vergleich einige Zahlen von der KBV-Website

  • 172 647 Ärztinnen und Psychotherapeutinnen nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung teil, gegenüber circa 30 000 Psychotherapeutinnen (ÄP, KJP, PP)
    Anzahl Allgemeinärztinnen: knapp 41 000, Psychiaterinnen 8200
  • 553 Millionen Behandlungsfälle gibt es pro Jahr insgesamt in den Praxen, gegenüber 1,2 Millionen Psychotherapie-Fällen/Jahr
  • Fallzahlen Hausarzt: durchschnittlich 850/Arzt -> ergibt etwa 34 Millionen Patienten/Quartal
  • Fallzahlen Psychiater: durchschnittlich 500/Arzt -> ergibt etwa 4,1 Millionen Patienten/Quartal
  • Fallzahlen Psychotherapeutinnen: durchschnittlich 40/Psychotherapeut

Das sind ganz grob zusammengestellte Zahlen, die nur die Größenordnung veranschaulichen sollen: Für Arztgruppen mit wesentlich höheren Fallzahlen gibt es keine gesetzliche Qualitätssicherung, in die sämtliche Behandlungen der Praxis einbezogen werden, und das ist offenbar auch nicht beabsichtigt. Für die Psychiatrie hat man eine Diagnose ausgewählt (Schizophrenie).

Auch die Höhe der Kosten kann nicht das entscheidende Argument sein: Die Ausgaben für ambulante Psychotherapie betragen auch weiterhin nur einen niedrigen einstelligen Prozentsatz der Gesamtausgaben für ambulante Behandlungen. Zu den ambulanten Behandlungskosten zählen nicht nur die Honorare der Ärzte, sondern auch die Kosten für Medikamente, Heilmittel, sonstige Verordnungen.

  • Gesamthonorar ambulante Psychotherapie 2018: 2,5 Milliarden
  • Kosten für Medikamente 2019: 41 Milliarden,
    Honorare der Ärzte: auch etwa 40 Milliarden, dazu kommen noch Heilmittel, sonstige Verordnungen und Kosten, usw.

Falls der Grund für solch eine Vollerhebung einfach ein Statistik-Problem sein sollte, das der G-BA auch erwähnt (die „kleinen Fallzahlen je Leistungserbringer“, mit denen man schlecht rechnen kann), dann müsste man daraus andere Konsequenzen ziehen, die inhaltlich sinnvoll sind.

 

Ich halte es für erklärungsbedürftig, warum die Psychotherapeutinnen das so mitmachen.

Die Entwicklung läuft gezielt in diese Richtung spätestens seit 2014 mit der Beauftragung des AQUA-Institutes durch den G-BA – nicht erst seit Ende 2019 durch das Spahnsche „Omnibus“-Gesetz.
Im Vorgänger-Projekt beim AQUA-Institut waren zahlreiche Vertreterinnen aus Kammern und Berufsverbänden als Expertinnen beteiligt, Zusammenfassungen der Diskussionen sind im Projektbericht des AQUA-Instituts nachzulesen.
Mir ist nicht bekannt, dass im G-BA oder beim AQUA-Institut unsere dort jeweils beteiligten Expertinnen, Berufsverbände und Kammern nachdrücklich gefordert hätten, dass QS-Verfahren für die ambulante Psychotherapie die oben beschriebene Differenziertheit berücksichtigen müssen, und sich dementsprechend auf bestimmte Verfahren, Diagnosen, besonders risikobehaftete Prozeduren, Umgang mit kritischen Ereignissen, o.ä. fokussieren müssen.

Beim QS-Verfahren Schizophrenie im Bereich Psychiatrie war solch eine Einflussnahme offenbar möglich: 2012 gab es zunächst einen Auftrag des G-BA ganz allgemein für den Bereich der Psychiatrie: ein QS-Verfahren für schwere psychische Erkrankungen sollte entwickelt werden. Nach längeren Diskussionen wurde der Auftrag 2014 verändert und bezog sich dann nur noch auf ein umgrenztes Krankheitsbild, nämlich Schizophrenie.

Insgesamt läuft die ganze Diskussion um externe QS inklusive Datenerhebung schon länger, seit etwa 25 Jahren. Der erste Anlauf für ein QS-Konzept à la „alle Praxen, alle Patienten, verfahrens-unabhängig“ (= zumindest für psychodynamische Verfahren bedeutet das: verfahrens-ungeeignet) war die PsyBado 1997, die damals verhindert werden konnte. Die Profession bzw. ihre Vertreterinnen (Berufs- und Fachverbände, Kammern) hätten seitdem Zeit gehabt, geeignetere Verfahren in Diskussion mit allen Beteiligten selbst zu entwickeln. Es gab Ansätze, aber die wurden aus unterschiedlichen Gründen nicht aufgegriffen oder nicht weiterverfolgt.

19.10.2020

Beatrice Piechotta - Rosmarinstr. 12 L  - 40235 Düsseldorf  -  eMail: kontakt@qs-psychotherapie.de