QS-Verfahren

Ergebnisqualität und Risikoadjustierung

Das IQTIG hat im 1. Teil des QS-Verfahrens, der QS-Dokumentation, ausführlich begründet, warum es zu problematisch ist, Ergebnisqualität zu erheben, so dass darauf verzichtet wird. Es soll also nur erfasst werden, ob die Psychotherapeutin das Behandlungsergebnis überprüft hat, aber es sollen keine konkreten Therapie-Ergebnisse erfasst werden, die dann mit zur Beurteilung der Qualität der Psychotherapeutin herangezogen würden.
Auch im abschließenden Kommentar zu den Stellungnahmen zum Abschlussbericht der QS-Dokumentation betont das IQTIG noch einmal: „Das IQTIG stimmt zu, dass dies komplexe und derzeit ungeklärte Herausforderungen bezüglich der Abbildbarkeit von Ergebnisqualität im Rahmen der psychotherapeutischen Versorgung sind. Die entwickelten Indikatoren adressieren jedoch und auch aus diesem Grund ausschließlich die Prozessqualität.“ (Würdigung Stellungnahmen S. 27)

Erstaunlicherweise wird aber im 2. Teil, der Patientenbefragung, sehr wohl Ergebnisqualität erhoben, ohne auf die Diskussion der Problematik aus dem 1.Teil Bezug zu nehmen.
Folgende Fragen zum Ergebnis der Therapie werden den Patienten gestellt:

  1. Wenn Sie einmal vergleichen: Ging es Ihnen nach Abschluss der Psychotherapie mit Ihren psychischen Beschwerden besser oder schlechter als vorher?
  2. Haben Sie durch Ihre Psychotherapie Erfahrungen, Fertigkeiten oder Strategien gewonnen, die Sie nutzen können, damit es Ihnen gut geht?
  3. An welchen der folgenden Themen haben Sie im Rahmen Ihrer Psychotherapie gearbeitet?
    Beziehungen (z. B. Familie, Freundinnen/Freunde, Partnerin/Partner)
    Freizeitgestaltung (z. B. Hobbies, Sport, Ausflüge, Reisen)
    Arbeit/Studium/Schule (z. B. Ausbildung, Berufstätigkeit, Verrentung)
    Alltagsbewältigung (z. B. einkaufen gehen, Termine erledigen, Haushalt machen)
    Allgemeines Wohlbefinden (z. B. Lebensfreude, Lebenszufriedenheit)
    Vergangenheitsbewältigung
  4. Inwiefern hat sich durch die Psychotherapie etwas für Sie bei den folgenden Themen verändert?
    Beziehungen (z. B. Familie, Freundinnen/Freunde, Partnerin/Partner)
    Freizeitgestaltung (z. B. Hobbies, Sport, Ausflüge, Reisen)
    Arbeit/Studium/Schule (z. B. Ausbildung, Berufstätigkeit, Verrentung)
    Alltagsbewältigung (z. B. einkaufen gehen, Termine erledigen, Haushalt machen)
    Allgemeines Wohlbefinden (z. B. Lebensfreude, Lebenszufriedenheit)
    Vergangenheitsbewältigung
  5. Haben Sie am Ende Ihrer Psychotherapie das erreicht, was Sie erreichen wollten?

Das IQTIG rechtfertigt das so: Der Auftrag der G-BA schließe aus, dass konkrete Testverfahren vorgegeben werden, deshalb werden bei den Therapeuten keine Behandlungsergebnisse abgefragt, aber „Die Feststellung, dass Patient reported outcomes in der Psychotherapie möglich sind, steht dazu in keinem Widerspruch.“ (Würdigung Stellungnahmen S. 59)
Der Teil des Patientenfragebogens, der die Behandlungsergebnisse aus Patientensicht misst, ist also kein (neues) Testverfahren (direkte Veränderungsmessung per Selbstbeurteilungsskala), sondern Patient Reported Outcome? Mit dieser Umbenennung existieren offenbar auch die Probleme nicht mehr, die im anderen Teil des QS-Verfahrens zum Thema Ergebnisqualität diskutiert wurden. Damit erklärt sich vielleicht auch, warum nicht einfach einer oder mehrere der existierenden, gut validierten Fragebögen für die Patientenbefragung genommen wird, sondern mit Riesenaufwand ein neuer entwickelt wurde, der – wenn ich das richtig verstehe – nicht validiert ist.

Ich finde es durchaus wichtig, am Ende einer Behandlung mit der Patientin gemeinsam zu klären, wie das Ergebnis von beiden Seiten beurteilt wird. Daraus lassen sich noch für die laufende Behandlung, und auch für die weitere Behandlungstätigkeit der Psychotherapeutin wertvolle Erkenntnisse gewinnen, gerade auch dann, wenn sich die Einschätzungen von Psychotherapeutin und Patientin unterscheiden. Eine Rückmeldung innerhalb der Behandlung ist jedoch etwas völlig anderes, als eine Auswertung für externe Bewertung der Psychotherapeutin mit nachfolgenden Sanktionen oder gar einer Veröffentlichung auf einem Qualitätsportal.

Die o.g. Fragen der Patientenbefragung können zur groben Orientierung sinnvoll sein. Allerdings werden Psychotherapeuten im direkten Austausch mit ihren Patienten differenzierter und individueller auf die Aspekte eingehen, die für die Behandlung der Patientin relevant waren. Durch die obigen Fragen werden voraussichtlich bestimmte Bereiche nicht erfasst, die für die Patientin wesentlich waren.
Besonders auffällig ist , dass der somatische Anteil von psychischen, psychosomatischen und somatisch mitverursachten Erkrankungen völlig ausgespart wird: Die Fragen zur Ergebnisqualität und in Richtung Schweregrad der Erkrankung (Risikoadjustierung) beziehen sich explizit nur auf den psychischen Bereich (Besserung der psychischen Beschwerden, stationäre Behandlung wegen psychischer Beschwerden, usw). Der gesamte Bereich der Psychosomatik, von somatischen Symptomen als Ausdruck psychischer Problematik bis hin zur Verarbeitung somatischer Erkrankungen wird aus dem QS-Verfahren systematisch ausgeschlossen.
Wesentliche Aspekte des Behandlungserfolgs oder auch von negativen Erfahrungen mit der Behandlung werden also u.U. mit diesen Fragen nicht erfasst.

Weitere Fragen

Ziel der Ergebnis-Messung (wie auch des gesamten QS-Verfahrens):

  • „Leistungserbringer“ vergleichen, um „gute von schlechter Qualität zu unterscheiden“ (IQTIG)
  • Aussagen über die Versorgungssituation in Deutschland ermöglichen
  • Qualität verbessern

Mir stellen sich dazu folgende Fragen:

  • Welche Aussagekraft hat die einmalige Messung des Behandlungsergebnisses?
    Die Fragen zum Ergebnis der Therapie werden kurz nach Ende der Psychotherapie beantwortet. Zwei Wochen später geht es der Patientin vielleicht ganz anders, besser oder schlechter.
    Viele Behandlungen sind mit dem Ende des kassen-bewilligten Kontingents noch nicht zuende, sondern gehen in Form von Rückfallprophylaxe oder in anderer Form (Gesprächsziffern, Selbstzahler) weiter. Es werden also beendete mit noch nicht beendeten Behandlungen verglichen.
    Für analytische Psychotherapie ist bekannt, dass die Ergebnisse sich über einen längeren Zeitraum nach Ende der Psychotherapie noch verbessern, sie sind zu dem Zeitpunkt also noch nicht vergleichbar.
  • Wie wird differenziert, welcher Teil des Behandlungserfolgs der Therapeutin zuzuschreiben ist, und welcher Teil auf andere Faktoren zurückzuführen ist?
  • Was sagen aggregierte Daten zu Therapieergebnissen von ganz unterschiedlichen Behandlungen (KZT, LZT, AP, ST, TP, VT) bei ganz unterschiedlichen Patienten aus?
    Welche Schlüsse kann die einzelne Psychotherapeutin aus den Rückmeldungen ziehen, wie kann sie damit ihre Qualität verbessern?
    zum einen aus den aggregierten Werten der eigenen Praxis (sie weiß nicht, welche Patientin sich wie geäußert hat),
    und zum anderen aus dem Vergleich ihrer Werte mit einem völlig heterogen zusammengesetzten Bundesdurchschnitt?
  • Wie soll gute von schlechter Qualität unterschieden werden?
    Wie will sich die Fachkommission ein Urteil bilden, ob eine rechnerische Auffälligkeit (z.B.: Praxis A hat 50 % Besserung der Beschwerden erzielt, im Vgl zu 70 % im Bundesdurchschnitt) tatsächlich einem Qualitätsdefizit entspricht? (schlechter Psychotherapeut oder besonders schwierige Patienten?)
  • Wie soll verhindert werden, dass externe Beurteilung und Androhung von Sanktionen trotz Risikoadjustierung zu Patientenselektion führen?

Risikoadjustierung

Beauftragung des G-BA: „Sofern patientenbezogene Endpunkte im QS-Verfahren erhoben werden, sind alle weiteren Voraussetzungen für einen sachgerechten Einrichtungsvergleich zu berücksichtigen (u. a. Zuschreibbarkeit und Risikoadjustierung unter Berücksichtigung des Schweregrads der Erkrankung, der Komorbidität und multimodaler Therapieansätze wie z. B. Einsatz von Pharmakotherapie oder stationärer Behandlung).“

Das IQTIG führt dazu aus: „Die Zusammensetzung der Patientengruppen kann sich zwischen verschiedenen Leistungserbringern unterscheiden. Wenn solche Unterschiede auch die Befragungsergebnisse beeinflussen, können diese die Validität des Erhebungsinstruments mindern. Um dieser Gefährdung der Aussagekraft der Ergebnisse entgegenzuwirken, wurden im Rahmen der Itementwicklung Risikoadjustierungsvariablen zur Berücksichtigung von Patientenrisiken recherchiert und entwickelt (siehe Abschnitte 8.4 und 0). Die Entwicklung eines konkreten Modells zur Risikoadjustierung kann allerdings erst auf Basis einer umfänglicheren Datengrundlage zur Zielpopulation mithilfe der Daten des ersten Auswertungszeitraumes im Regelbetrieb erfolgen.“ (Abschlussbericht S.80).

Folgende Risikoadjustierungsvariablen hat das IQTIG „recherchiert und entwickelt„:
Alter, Geschlecht, Familienstand, Anzahl Personen im eigenen Hausstand, Schulabschluss, berufliche Situation, Behandlung im Krankenhaus. (Sind das tatsächlich die relevanten Variablen zur Risikoadjustierung??)
Entsprechende Fragen zur Person wurden in den Patientenfragebogen aufgenommen.
Zusätzlich sollen Angaben aus der QS-Dokumentation (Mitbehandlung durch Facharzt, Medikamente, Soziotherapie, Physiotherapie …) einen „multimodalen Therapieansatz“ abbilden, der ebenfalls in die Risikoadjustierung eingeht.
Das IQTIG schlägt vor, auch Daten aus der Abrechnung hinzuzunehmen (Diagnosen, psychische Komorbiditäten), um den Schweregrad der Erkrankung zu erfassen. Daten aus solchen verschiedenen Quellen zusammenzuführen, ist allerdings ohne Gesetzesänderung (§ 299 Abs. 4 SGB V) nicht möglich.
Der G-BA verlangt in seiner Nachbeauftragung ein verbessertes Risikoadjustierungsmodell, auf der Basis der gültigen rechtlichen Möglichkeiten.

30.3.2023

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