QS-Verfahren

Neues von IQTIG und G-BA

 

Vorzeitiges Therapieende und Therapieabbruch  (21.11.2024)

Ursprünglich hatte das IQTIG Behandlungen, die einseitig beendet werden (von Patientin oder Psychotherapeutin), aus dem QS-Verfahren ausgeschlossen. Das wurde von Teilen des G-BA (Patientenvertretung, Vertreter der Psychotherapeuten) kritisiert, so dass der G-BA dem IQTIG den Auftrag erteilt hat, genauer zu prüfen, ob und wie man diese Patienten mit einbeziehen kann. Das IQTIG soll dazu ein Konzept und Instrumente entwickeln.
Zum ersten Teil des Auftrags – Konzept – hat das IQTIG einen Abschlussbericht abgegeben, der am 17.10.24 veröffentlicht wurde. Darin kommt es zu dem Ergebnis, dass es keine einheitliche Definition von Therapieabbruch gibt, und am validesten immer noch die Einschätzung durch die Psychotherapeutin ist (einseitige Beendigung trotz weiterhin bestehendem Behandlungsbedarf). Es sollen nicht sämtliche Arten, sondern nur qualitätsrelevante vorzeitige Therapiebeendigungen erfasst werden.
Das IQTIG empfiehlt zunächst, auf Prävention zu fokussieren, da es Erkenntnisse gibt, dass bestimmte Prozessmerkmale das Risiko eines Abbruchs reduzieren: Aufklärung, Diagnostik (Risikofaktoren erkennen), Behandlungsplanung (an den Behandlungsziele des Patienten ausrichten), systematisches Monitoring des Therapieverlaufs. Diese Themen seien in den bisherigen Indikatoren abgebildet.
Den Abschlussbericht zum zweiten Teil des Auftrags – Patientenbefragung – soll das IQTIG bis August 2025 vorlegen. D.h. es ist damit zu rechnen, dass danach eine Patientenbefragung auch für Patientinnen mit vorzeitigem Therapieende stattfinden wird.

 

Regionalkonferenz des IQTIG 18. +  20.9.24

Die QS-Richtlinie schreibt dem IQTIG die Durchführung von Regionalkonferenzen vor, die dem erklärten Ziel dienen, durch Transparenz Akzeptanz bei den Teilnehmern des QS-Verfahrens zu schaffen.
Laut IQTIG waren etwa 3000 Teilnehmerinnen zugeschaltet, von insgesamt 7 – 8000 betroffenen Psychotherapeuten in NRW. Eine Reihe von IQTIG-Mitarbeiterinnen hielten Vorträge zur Entwicklung des QS-Verfahrens, zu den Qualitäts-Indikatoren, den gesetzlichen Rahmenbedingungen, den Datenflüssen usw. (s. Aufzeichnungen der Vorträge).
Aus den Fragen der Teilnehmer im Chat (etwa 800 beim ersten, über 600 beim zweiten Termin) war ersichtlich, dass für sie sehr vieles unklar war, und auch nach der Veranstaltung geblieben ist. Es wurden nur einige ausgewählte Fragen beantwortet, ansonsten auf die FAQ verwiesen, die entsprechend erweitert werden sollen.
Mein Eindruck von der Veranstaltung, und offenbar auch der vieler Teilnehmer (wie man in den Kommentaren im Chat lesen konnte): Die Veranstaltung war sehr formalistisch ausgerichtet, wenig nutzer-orientiert, und das IQTIG ist kaum bis garnicht auf inhaltliche oder gar kritische Fragen eingegangen, z.B. zu möglichen Auswirkungen des QS-Verfahrens auf therapeutische Beziehung, Indikation oder Patientenselektion. Zunehmend wurde im Chat dann auch kritisiert, dass das IQTIG auf diese Fragen nicht eingeht (Zitat aus dem Chat: „Was für eine Kluft zwischen Präsentation und Chat….wir können alle einfach im Chat vor uns hinschimpfen … und der Vortrag läuft weiter“).
Ein besonderer Kritikpunkt war die fehlende Möglichkeit für Patienten, der Weitergabe ihrer Daten zu widersprechen (mehr dazu hier).
Dass es keine Fortbildungspunkte gab, empfanden viele Teilnehmer als Ausdruck mangelnder Wertschätzung ihrer Arbeit. Immerhin sind durch die 6 Stunden zur besten Behandlungszeit am Nachmittag bei 3000 Teilnehmerinnen 18 000 Behandlungsstunden der Versorgung verloren gegangen, und jedem Teilnehmer mehr als 600 € Einkommen.
Angesichts der geballten kritischen und verärgerten Rückmeldungen im Chat verkündete das IQTIG anschließend: „Erfolgreiche Infoveranstaltung des IQTIG zum Verfahren QS ambulante Psychotherapie“  !

 

Bericht aus dem G-BA – Verabschiedung der Rechenregeln und Spezifikationen für die Software (21.7.2024)

Am 18.7.24 gab es die seltene Gelegenheit, von den Diskussionen im G-BA zum QS-Verfahren etwas mitzubekommen. Meist werden die Themen in den entsprechenden Unterausschüssen vertraulich diskutiert, nur die Diskussionen im Plenum sind öffentlich und können per Videoaufzeichnung verfolgt werden.

Zum Hintergrund:
Vor dem Start des QS-Verfahrens muss noch die Dokumentationssoftware programmiert werden. Dafür erstellt das IQTIG Spezifikationen, Rechenregeln, Filter usw., die dann im Rahmen der Programmierung umgesetzt werden müssen. Wenn das QS-Verfahren am 1.1.2025 starten soll, ist es jetzt höchste Zeit, die Spezifikationen und Rechenregeln zu verabschieden, da mit 6 – 7 Monaten für die Programmierarbeiten zu rechnen ist.
Ursprünglich standen die Beschlüsse dazu auf der TO für die Sitzung des G-BA am 18.7.24 (TOP 8.3.9 – 8.3.11), dann wurden sie vorab wieder gestrichen, und stattdessen erschien ein Antrag des GKV-Spitzenverbandes zum gleichen Thema (TOP 8.3.14) auf der Tagesordnung.

Sitzung des G-BA am 18.7.24, TOP 8.3.14 – meine Zusammenfassung
Videoaufzeichnung (TOP 8.3.14 startet bei 1:37:05)

Zu Beginn der knapp 40-minütigen Diskussion erklärte der Vorsitzende Prof. Hecken, dass es einen Dissens im Unterausschuss QS gegeben habe, so dass die KBV die Spezifikationen nicht verabschieden wollte, die Krankenkassen aber doch, damit der Start des QS-Verfahrens am 1.1.25 nicht gefährdet wird, deshalb stellt der GKV-Spitzenverband nun einseitig diesen Antrag.
In der Diskussion ging es hauptsächlich um Kritik von Seiten der KBV und der BPtK am IQTIG. Die Kritikpunkte fasse ich folgendermaßen zusammen:

  • Angeblich fehlende Filterfunktion, für deren Entwicklung das IQTIG (angeblich) noch 2 Jahren brauchen würde, so dass (angeblich) Unmengen von unnötigen Daten erhoben würden, die man anschließend „in die Tonne schmeißen“ müsse.
    Allerdings sagte ein Vertreter der Krankenkassen (Follert): Den Filter gibt es doch schon, er ist nur noch nicht perfekt, man muss in der jetzigen Form 2 Kästchen mehr anklicken, als es in einer Ideal-Version nötig sein wird, das müsse doch für eine begrenzte Zeit verkraftbar sein. – Dem Inhalt dieser Aussage wurde nicht widersprochen.
    (Der besagte Filter soll dazu dienen, die Psychotherapeuten direkt bei der Dateneingabe darauf hinzuweisen, ob der betreffende Patient vom QS-Verfahren auszuschließen ist, weil z.B. unter 18 J., oder in Gruppentherapie.)
  • Mangelhafte Ausfüllhinweise, die keine Erläuterungen geben, wie bestimmte Datenfelder zu verstehen sind, sondern nur nochmal abstrakt die Qualitätsziele wiederholen, so dass sie den Psychotherapeuten keine Hilfestellung bieten. Zu einem wichtigen Thema fehlt sogar jeglicher Ausfüllhinweis, nämlich zu der Frage nach Abbruch der Therapie, die darüber entscheidet, ob eine Patientenbefragung stattfindet oder nicht.
  • Mangelndes Bemühen des IQTIG, die spezifischen Herausforderungen dieses QS-Verfahrens zu berücksichtigen: KBV und BPtK appellierten an das IQTIG, es möge das QS-Verfahren und die Erprobung „sehr, sehr ernst“ nehmen; man vermisse den Willen, vorausblickend im Sinne der Betroffenen unnötigen Aufwand zu vermeiden und Verbesserungsvorschläge umzusetzen. Es kommen offenbar auch Beschwerden von den Landesarbeitsgemeinschaften für QS, das IQTIG könne die aufkommenden Fragen nicht beantworten. Die KBV forderte mehr Engagement und Seriosität in der Begleitung der Erprobung, angesichts der großen Anzahl von Teilnehmern (in anderen QS-Verfahren gibt es einige hundert Teilnehmer, nicht 7000). Nur eine einzige Regionalkonferenz für 7000 Teilnehmer anzubieten: „die Leute fühlen sich veräppelt“. Es wurde angedeutet: sonst wird das QS-Verfahren nicht umsetzbar sein.

Beim Vorsitzenden Prof. Hecken entstand offenbar der Eindruck, den Vertretern der Psychotherapeuten (KBV, BPtK) gehe es eher darum, grundsätzlich den Sinn eines QS-Verfahrens für Psychotherapie wieder in Frage zu stellen, obwohl diese Diskussion, die 6 Jahre lang geführt wurde, doch abgeschlossen sei. Deshalb drängte er sehr darauf, jetzt zu einem Beschluss zu kommen. Ansonsten wurde immer wieder betont, dass selbstverständlich im Rahmen der Erprobung nachjustiert werden soll und muss, wenn Probleme auffallen, um die Akzeptanz bei den Teilnehmern nicht zu gefährden.
Schließlich wurde der Antrag durch die Forderung an das IQTIG ergänzt, die Filterfunktion innerhalb von 6 Monaten fertigzustellen, ggf. mithilfe von Fremdvergabe, und die Ausfüllhinweise zu überarbeiten. Die KBV stimmte nun nicht mehr gegen den Antrag, sondern enthielt sich, der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Die Patientenvertreterin Häfner mahnte an, die ursprünglich vorgesehene Einbeziehung von Patienten mit Intelligenzminderung oder Demenz, die eine Psychotherapie absolvieren, nochmals zu prüfen, zumal auch das BMG das gefordert hat, und sie ggf. noch später in das QS-Verfahren mit aufzunehmen.

Mein Eindruck:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die KBV ernsthaft wegen eines mangelhaften Filters bzw. 2 Datenfeldern zuviel den Start des QS-Verfahrens hätte verschieben wollen. Ich vermute (Achtung: Vermutung!), dass in der KBV und den betroffenen KVen Nordrhein und Westfalen-Lippe inzwischen doch zunehmend die Probleme dieses QS-Verfahrens deutlich werden, und dass man einen Aufhänger gesucht hat, mit dem man dem IQTIG zumindest einen Schuss vor den Bug geben kann.
Auffällig war, wie oft betont wurde, dass selbstverständlich im Rahmen der Erprobung nachjustiert werden muss, andererseits klangen deutliche Zweifel an bezüglich der Bereitschaft oder Fähigkeit des IQTIG, Einwände und Kritik konstruktiv aufzunehmen. (Das würde zu meinem Eindruck passen, wenn man z.B. die kritischen Stellungnahmen zum Abschlussbericht des IQTIG liest, und dann sieht, wie das IQTIG in seiner „Würdigung der Stellungnahmen“ Fragen oder Kritik teilweise bürokratisch abgebügelt hat.)
Beispiel: Die Kritik an den Ausfüllhinweisen beantwortete Prof. Heidecke (Leiter des IQTIG) damit: es habe keinen Konsens im Unterausschuss gegeben, deshalb könne das IQTIG nicht wissen, in welche Richtung es die Ausfüllhinweise verändern soll. Entgegnung KBV (Voigt): Die AG hatte sehr wohl Konsens, dass die Ausfüllhinweise überarbeitungsbedürftig sind, das IQTIG habe dann dazu mitgeteilt: es habe die Ausfüllhinweise erneut überprüft und sehe keinen Anpassungsbedarf.
Andererseits wendet das IQTIG ein: Wenn im laufenden Verfahren das Vorgehen und die Datenstruktur geändert wird, führt das zu einem Datenbruch, d.h. da entstehen neue Schwierigkeiten.
Meine Vermutung zu den Ausfüllhinweisen: Das IQTIG hat vielleicht echte Probleme damit, bessere Ausfüllhinweise zu schreiben, weil es bestimmte komplexe Situationen im Rahmen einer Psychotherapie selbst nicht richtig verstanden hat, und dadurch auch nicht genauer erklären kann, wie welche Situation in der Dokumentation abzubilden ist.
Jedenfalls ist zu erwarten, dass es noch sehr viele Diskussionen um dieses QS-Verfahren geben wird. Umso wichtiger erscheint mir, dass die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sich aktiv beteiligen und ihre Erfahrungen – möglichst in gebündelter und koordinierter Form – an IQTIG und G-BA weitergeben.

 

Beatrice Piechotta - Rosmarinstr. 12 L  - 40235 Düsseldorf  -  eMail: kontakt@qs-psychotherapie.de