QS-Verfahren

Umsetzung des QS-Verfahrens in der ambulanten Psychotherapie

Das Projekt des IQTIG besteht aus 2 Entwicklungssträngen, deren Ergebnisse sich ergänzen und ein gemeinsames Indikatoren-Set bilden werden. (s. Methodische Grundlagen des IQTIG, S. 52 f.)

  1. Datenerhebung in der Praxis: Instrumente und Dokumentationsvorgaben für die Psychotherapeuten
  2. Datenerhebung bei den Patienten: Patientenbefragung (s. Patientenbefragung)

 

Zu 1. Datenerhebung in der Praxis

Es ist noch nicht bekannt, wie die Datenerhebung in den Praxen der Psychotherapeutinnen aussehen wird. Aus dem Auftrag des G-BA und dem Zwischenbericht zum Qualitätsmodell des IQTIG lassen sich einige Fragen und kritische Punkte ableiten.
Auch eine grundsätzliche Frage: Warum soll ein einziges QS-Verfahren die gesamte Vielfalt der Psychotherapie abdecken und sämtliche Behandlungen per Datenerhebung erfassen? Im übrigen Gesundheitswesen ist das  unüblich. (näheres s. 1 Verfahren für gesamte Psychotherapie)

Verfahrens-unabhängige Messung von Prozess- und Ergebnisqualität

Das IQTIG soll Indikatoren und Instrumente zur verfahrens- und diagnose-unabhängigen „Messung der Prozess- und – soweit sachgerecht abbildbar – Ergebnisqualität“ entwickeln.

Die Messung der Prozess- und Ergebnisqualität kann darin bestehen, zu erfassen, ob etwas durchgeführt wurde, wie z.B.:
– Hat eine Aufklärung über Behandlungsverfahren, -risiken, -alternativen stattgefunden?
– Wurde bei der Diagnose Depression die Suizidalität abgeklärt?
– Wurden Messinstrumente zur Überprüfung des Therapiefortschritts bzw. des Therapieergebnisses eingesetzt?

Die Messung kann aber auch darin bestehen, zu erfassen, welches Ergebnis bei der Durchführung bestimmter Maßnahmen herausgekommen ist, z.B. wie sich Symptome und Funktionalität verändert haben. (s. QS-Verfahren Schizophrenie)

Manches ist bei allen Therapieverfahren gleich, z.B. die Notwendigkeit der Aufklärung über das Therapieverfahren und Behandlungsalternativen. Aber in vielen Aspekten des Therapieprozesses richten die verschiedenen Verfahren ihr Augenmerk auf unterschiedliche Dinge, und gehen unterschiedlich vor.
Für manche Verfahren ist es selbstverständlich, regelmäßig Tests einzusetzen, den Grad der Zielerreichung zu messen, von Test-Ergebnissen darauf zu schließen, dass die Therapie beendet werden kann – während das bei anderen Verfahren nicht so ist, oder sogar als kontraindiziert angesehen würde.

Der Zwischenbericht zum Qualitätsmodell des IQTIG zeigt eine Richtung an, in die sich die Datenerhebung entwickeln wird:
Bestimmte, zuvor identifizierte Qualitäts-Merkmale wurden nicht in das Qualitäts-Modell aufgenommen (Zugang zur Versorgung, Indikation, Therapeutische Beziehung).
Die Merkmale, die in das Qualitäts-Modell aufgenommen wurden, betreffen u.a. Diagnostik, Aufklärung über Rahmenbedingungen, Diagnose usw., Therapiezielvereinbarung, Erfassen des Therapiefortschritts, Gestaltung des Therapieendes, Outcome. Dazu werden jeweils Qualitätsindikatoren entwickelt.

Fragen bezüglich Prozessqualität

  • Wie soll Prozessqualität im Sinne der o.g. Prozess-Bestandteile verglichen werden, wenn der therapeutische Prozess je nach Verfahren unterschiedlich gestaltet wird? (z.B.: wie die Diagnostik durchgeführt wird, oder: was bei der Beendigung der Therapie relevant ist)
    Die bisherigen Veröffentlichungen weisen in die Richtung, dass das QS-Verfahren bestimmte Vorgaben machen wird, die z.T. gerade nicht verfahrens-übergreifend sind, sondern verändernd in das therapeutische Vorgehen eingreifen könnten.
  • Die Prozessqualität ist letztlich nur von Interesse in Hinblick darauf, ob sie geeignet ist, zu einem guten Therapieergebnis zu führen. – Es gibt keinen Mangel an Psychotherapieforschung zu der Frage, welche Merkmale des therapeutischen Prozesses für ein gutes Therapieergebnis relevant sind. Die Ergebnisse und die daraus abgeleiteten Vorschläge zur konkreten Umsetzung unterscheiden sich teilweise (u.a. je nach Therapieverfahren), aber auffällig ist: Von den Ergebnissen der Psychotherapieforschung kommt im Qualitätsmodell des IQTIG nur wenig vor.
    Es besteht also die Gefahr, dass mit viel Aufwand Daten erhoben werden zu Prozess-Bestandteilen, die nur wenig Relevanz für ein möglichst gutes Therapieergebnis haben.

Fragen bezüglich Ergebnisqualität

  • Wie stellt sich der G-BA vor, dass die Ergebnisqualität gemessen werden könnte, wenn er im Auftrag ausdrücklich schreibt: „Es ist sicherzustellen, dass das QS-Verfahren nicht in den therapeutischen Behandlungsprozess eingreift z. B. durch die Vorgabe bestimmter Psychologischer Testverfahren.
  • Wie kann die Ergebnisqualität von verschiedenen Verfahren, von kurzen und langen Therapien (12 – 300 Sitzungen), und von Patienten mit unterschiedlichsten Diagnosen sinnvoll verglichen werden?
  • Das Ergebnis einer Therapie hängt lt. Psychotherapieforschung nur zum Teil von der Prozessqualität (des Therapeuten) ab. – Wie kann hier eine geeignete Differenzierung aussehen? (G-BA: „Zuschreibbarkeit und Risikoadjustierung unter Berücksichtigung des Schweregrads der Erkrankung, der Komorbidität und multimodaler Therapieansätze wie z.B. Einsatz von Pharmakotherapie oder stationärer Behandlung„)
  • Wann soll das Ergebnis gemessen werden?
    Das Ende einer Psychotherapie ist zwischen Patient und Psychotherapeut oft garnicht so völlig klar; durch die eigens dafür eingerichtete Abrechnungziffer 88130/1 ist das Problem nur formal scheinbar gelöst.
    Oder: Die Psychotherapieforschung zeigt, dass das Ergebnis von psydynamischen Therapien sich in der Zeit nach Abschluss der Therapie noch weiter verbessert, d.h. was am Ende der Therapie gemessen wird, ist noch nicht aussagekräftig.
  • Was bedeutet es für die zukünftige Arbeit von Psychotherapeuten (z.B. Auswahl von Patienten, s. auch Patientenbefragung), wenn die Datenerhebung zu den Ergebnissen der Behandlungen zu beruflichen Konsequenzen für die Psychotherapeuten führen können?

Das IQTIG steht vor einer großen Herausforderung, entsprechend den Vorgaben des G-BA zu dieser komplexen Problematik Antworten zu finden.

Es ist nachvollziehbar, dass Patienten und Kostenträger mehr über die Qualität der psychotherapeutischen Versorgung wissen wollen. Auch Psychotherapeuten sind manchmal Patienten, und möchten vielleicht wissen, ob es in der Klinik, in der sie sich behandeln lassen, besonders viele Wundinfektionen oder Wiederaufnahmen gibt, und finden es vielleicht gut, wenn es eine Instanz gibt, die das beobachtet und für Verbesserungen sorgt.
Aber diese externe QS muss so gestaltet sein, dass nicht mit großem Aufwand Daten erhoben werden, die letztlich nutzlos sind, weil niemand weiß, was sie eigentlich aussagen, oder Daten zu Randbereichen, während man über entscheidende Bereiche weiterhin nichts weiß.

Es bleibt abzuwarten, ob eine Messung der Prozess- und Ergebnisqualität tatsächlich verfahrens-unabhängig und einrichtungs-vergleichend möglich ist, und was dabei an Sinnvollem herauskommen kann.

 

Förderung der Qualität

Die Verfahren der externen QS nach § 135a ff. SGB V sollen die Qualität nicht nur feststellen, sondern auch verbessern. Allerdings setzen G-BA und IQTIG sich offenbar nicht näher damit auseinander, wie sich Qualität in der spezifischen Situation der psychotherapeutischen Praxis (Kontrolle/Beurteilung nicht einer großen Institution (Klinik), sondern einer einzelnen Person; Datenerhebung nicht zu technischen, objektivierbaren Merkmalen, sondern zu einem Beziehungsgeschehen, usw.) erfassen und verbessern lässt, sondern setzen die Maßnahmen der externen QS entsprechend der DeQS-Richtlinie unverändert um.

Externe Kontrolle/Beurteilung und Androhung von Sanktionen werden wohl zu gewissen Verbesserungen führen, zumindest in den kontrollierten Bereichen, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das mit erheblichen „Risiken und Nebenwirkungen“ verbunden sein wird:
– Patientenselektion (trotz Risikoadjustierung, s. Entwicklung in den Kliniken)
– störende und evt. schädliche Einflüsse auf die therapeutische Beziehung und Arbeitsweise
– Entwicklung von Anpassungs- und Umgehungsstrategien
– zusätzlicher Arbeitsaufwand
– zunehmende Bürokratisierung und Technisierung der Psychotherapie und der therapeutischen Beziehung

 

Datenschutz

2016 im Rahmen der Strukturreform der Psychotherapie-Richtlinie wollte der G-BA eine umfangreiche Datenerhebung einführen, damals nicht für QS, sondern für das Gutachterverfahren und eine nicht näher beschriebene „Evaluation“. Die Fragebögen sollten nicht nur mittels Chiffre (relativ) anonym, sondern zusätzlich durch die Versichertennummer gekennzeichnet werden. Auf Nachfrage des Gesundheitsministeriums gab der G-BA dafür keine nachvollziehbare Begründung an, so dass u.a. aus Datenschutz-Gründen diese Datenerhebung nicht genehmigt wurde.

Die jetzt geplante Datenerhebung findet mit einem anderen Zweck und in einem anderen gesetzlichen Rahmen statt, nämlich der im SGB V festgelegten externen Qualitätssicherung.
Der § 299 SGB V „Datenverarbeitung für Zwecke der Qualitätssicherung“ regelt sehr umfangreich das Erfassen, Speichern und Auswerten von personenbezogenen Daten – sowohl der Patienten, als auch der Behandler – für die Qualitätssicherung.
Insofern ist die umfassende Weitergabe von Patienten- und Behandlungsdaten, sowie von Beurteilungen der Psychotherapeuten durch ihre Patienten (Patientenbefragung) rechtlich abgesichert.

Trotzdem ist zu bedenken: Durch immer mehr Regelungen und Gesetze (Patientendaten-“Schutz“gesetz, Telematik, elektronische Patientenakte) werden höchst vertrauliche Patientendaten in einem nie gekannten Ausmaß an immer mehr externe Stellen weitergeleitet oder verfügbar gemacht, die Gefahr von Missbrauch wächst.
(s. Vertrauliche Psychotherapiedaten in Finnland gehackt)

19.10.2020

Beatrice Piechotta - Rosmarinstr. 12 L  - 40235 Düsseldorf  -  eMail: kontakt@qs-psychotherapie.de